Kommissionierverfahren

Was versteht man unter Kommissionierverfahren?

Kommissionierverfahren bilden das Herzstück jeder erfolgreichen Lagerlogistik. Sie beschreiben systematische Methoden, mit denen Mitarbeiter Waren aus dem Lager entnehmen und für den Versand zusammenstellen. Dabei geht es um weit mehr als das simple Abholen von Produkten – moderne Verfahren optimieren Arbeitsabläufe, reduzieren Fehlerquoten und steigern die Produktivität erheblich.

Die Auswahl des passenden Verfahrens hängt von verschiedenen Faktoren ab: Lagervolumen, Artikelvielfalt, verfügbare Technologie und Investitionsbudget spielen entscheidende Rollen. Während kleinere Betriebe oft noch auf bewährte manuelle Methoden setzen, nutzen Großlager zunehmend technologiebasierte Lösungen. Entscheidend ist dabei nicht die modernste Technik, sondern die beste Anpassung an die individuellen Betriebsanforderungen.

Unternehmen müssen bei der Verfahrenswahl langfristig denken. Faktoren wie Skalierbarkeit, Wartungsaufwand und Schulungsbedarf der Mitarbeiter beeinflussen den Erfolg maßgeblich. Eine durchdachte Kommissionierungsstrategie kann die Effizienz um bis zu 30 Prozent steigern und gleichzeitig die Mitarbeiterzufriedenheit verbessern.

Kommissionierverfahren Übersicht: Die zwei Hauptkategorien

Eine strukturierte Kommissionierverfahren Übersicht zeigt deutlich die Unterschiede zwischen traditionellen und modernen Ansätzen:

Verfahrenstyp Merkmale Hauptvorteile
Manuelle Kommissionierung Gedruckte Picklisten, papierbasiert Geringe Investitionskosten, einfache Umsetzung
Beleglose Kommissionierverfahren Digitale Übertragung, Echtzeitdaten Höhere Effizienz, weniger Fehler, automatische Updates

Technisch unterstützte Systeme nutzen digitale Schnittstellen zur direkten Kommunikation zwischen Lagerverwaltungssystem und Kommissionierer. Diese Integration eliminiert Medienbrüche und ermöglicht Echtzeitaktualisierungen der Lagerbestände. Fehlerquellen durch unleserliche Handschrift oder veraltete Picklisten gehören damit der Vergangenheit an.

Der Übergang von manuellen zu digitalen Verfahren erfolgt meist schrittweise. Viele Betriebe kombinieren zunächst beide Ansätze, um Erfahrungen zu sammeln und Mitarbeiter behutsam an neue Technologien heranzuführen. Dieser hybride Ansatz minimiert Umstellungsrisiken und ermöglicht kontinuierliche Verbesserungen der Arbeitsabläufe ohne drastische Betriebsunterbrechungen.

Die vier beleglose Kommissionierverfahren im Detail

Pick-by-Voice: Sprachgesteuerte Kommissionierung

Pick-by-Voice revolutioniert die Kommissionierung durch Sprachsteuerung und gehört zu den vier wichtigsten beleglosen Kommissionierverfahren. Mitarbeiter tragen ein Headset, das Kommissionieraufträge per Sprachausgabe übermittelt und gesprochene Bestätigungen entgegennimmt. Diese Technologie ermöglicht vollständig freie Hände während der gesamten Kommissionierung.

Das System funktioniert über mobile Datenerfassungsgeräte, die permanent mit dem Lagerverwaltungssystem kommunizieren. Kommissionierer erhalten präzise Anweisungen zu Lagerplatz, Artikelnummer und Entnahmemenge. Nach der Entnahme bestätigen sie den Vorgang sprachlich, wodurch Lagerbestände automatisch aktualisiert werden.

Hauptvorteile von Pick-by-Voice:

  • Vollständig freie Hände für optimale Arbeitsergonomie
  • Deutlich reduzierte Fehlerquoten durch Sprachbestätigung
  • Kurze Einarbeitungszeit für neue Mitarbeiter
  • Geringeres Verletzungsrisiko durch weniger Gerätehandhabung

Pick-by-Light: Lichtsignale als Wegweiser

Optische Führung steht im Mittelpunkt des Pick-by-Light-Verfahrens, das durch Lichtsignale an jedem Lagerplatz funktioniert. LEDs zeigen präzise an, welche Artikel für den aktuellen Auftrag benötigt werden, während digitale Anzeigen die exakte Entnahmemenge kommunizieren. Dieses intuitive System erfordert keine zusätzlichen Geräte und funktioniert völlig papierlos.

Die Installation erfolgt direkt an den Lagerregalen, wobei jeder Lagerplatz mit einer Lichtleiste ausgestattet wird. Kommissionierer folgen einfach den leuchtenden Signalen und bestätigen jede Entnahme durch Drücken der integrierten Quittiertaste. Das System registriert automatisch alle Bewegungen und aktualisiert die Lagerbestände in Echtzeit.

Durchlaufzeiten verkürzen sich erheblich, da Mitarbeiter nicht mehr nach Artikeln suchen müssen. Besonders effektiv zeigt sich Pick-by-Light bei Lagern mit hoher Umschlagsgeschwindigkeit und relativ stabilen Sortimenten. Trainingszeiten für neue Mitarbeiter reduzieren sich auf ein Minimum, da das System selbsterklärend funktioniert. Allerdings erfordert die Erstinstallation erhebliche Investitionen, die sich jedoch durch gesteigerte Produktivität schnell amortisieren.

Pick-by-Scan: Mobile Datenerfassung

Mobile Datenerfassungsgeräte mit integrierten Scannern ersetzen beim Pick-by-Scan-Verfahren herkömmliche Picklisten vollständig. Diese Handheld-Computer übertragen Kommissionieraufträge digital und erfassen jede Artikelentnahme durch Barcode-Scanning. Die direkte Anbindung an das Lagerverwaltungssystem gewährleistet kontinuierliche Datenaktualisierung ohne manuelle Nachbearbeitung.

Kommissionierer tragen die kompakten Geräte am Handgelenk oder befestigen sie an Kommissionierfahrzeugen. Der integrierte Scanner liest Produktcodes zuverlässig und überprüft automatisch, ob der richtige Artikel entnommen wurde. Bei Fehlern meldet das System sofort Unstimmigkeiten und verhindert dadurch kostspielige Kommissionierfehler.

Vielseitigkeit zeichnet dieses Verfahren besonders aus. Moderne MDE-Geräte übernehmen zusätzliche Lagerfunktionen wie Inventur, Wareneingangskontrolle oder Umlagerungen. Diese Multifunktionalität rechtfertigt die Anschaffungskosten und schafft einheitliche Arbeitsabläufe. Besonders Betriebe mit wechselnden Anforderungen profitieren von der Flexibilität, da sich neue Funktionen meist per Software-Update hinzufügen lassen.

Pick-by-Vision: Augmented Reality im Lager

Datenbrillen mit Augmented-Reality-Technologie definieren die Zukunft der Kommissionierung neu. Pick-by-Vision projiziert alle relevanten Informationen direkt ins Sichtfeld des Kommissionierers – von Lagerplatzangaben über Artikeldetails bis hin zu optimalen Laufwegen. Diese innovative Technologie kombiniert digitale Effizienz mit natürlicher Arbeitsweise.

Das System nutzt WLAN-Verbindungen und Tracking-Technologie, um die Position des Mitarbeiters exakt zu bestimmen. Virtuelle Pfeile weisen den direkten Weg zum nächsten Lagerplatz, während eingeblendete Mengenangaben Verwechslungen ausschließen. Die Bestätigung erfolgt durch Sprachkommandos oder Handbewegungen, wodurch die Hände für die eigentliche Kommissionierung frei bleiben.

Produktivitätssteigerungen von bis zu 25 Prozent sind mit dieser Technologie möglich. Besonders beeindruckend ist die verkürzte Einarbeitungszeit für neue Mitarbeiter, da das System sie intuitiv durch alle Arbeitsschritte führt. Allerdings erfordern die hohen Anschaffungskosten und der Wartungsaufwand eine sorgfältige Kosten-Nutzen-Analyse. Zukunftsorientierte Unternehmen investieren dennoch in diese Technologie, da sie langfristige Wettbewerbsvorteile verspricht.

Weitere moderne Kommissionierverfahren

Pick-by-Terminal: Stationäre Arbeitsplätze optimieren

Fest installierte Terminals an strategischen Lagerpositionen kennzeichnen das Pick-by-Terminal-Verfahren. Diese robusten Computer-Arbeitsplätze sind oft an Gabelstaplern oder Kommissionierfahrzeugen montiert und bieten eine zuverlässige Schnittstelle zwischen Mitarbeiter und Lagerverwaltungssystem. Scanner-Integration ermöglicht präzise Artikelerfassung ohne zusätzliche Geräte.

Stationäre Terminals eignen sich besonders für Lagerbereiche mit hoher Artikelkonzentration oder speziellen Arbeitsplätzen wie Packstationen. Die große Bildschirmdarstellung erleichtert das Ablesen von Auftragsdaten, während die robuste Bauweise auch rauen Lagerbedingungen standhält. Gleichzeitig können mehrere Mitarbeiter das Terminal nutzen, was die Investitionskosten pro Arbeitsplatz reduziert.

Wartungsfreundlichkeit und lange Lebensdauer sprechen für Terminal-Lösungen. Updates und Konfigurationsänderungen lassen sich zentral verwalten, ohne jeden Arbeitsplatz einzeln zu bearbeiten. Besonders in Umgebungen mit wechselnden Mitarbeitern oder Schichtbetrieb bewährt sich die einfache Bedienung ohne persönliche Geräte.

Pick-by-RFID: Funkfrequenz-Technologie für komplexe Aufträge

RFID-Technologie erweitert die Möglichkeiten der Kommissionierung um automatische Artikelverfolgung und intelligente Auftragskombination. Radio Frequency Identification ermöglicht berührungslose Erfassung von Produkten und schafft vollständige Transparenz über alle Lagerbewegungen. Kommissionierer erhalten ihre Aufträge direkt auf RFID-fähige Geräte und können mehrere Bestellungen parallel bearbeiten.

Das Verfahren glänzt besonders bei der Bearbeitung komplexer Aufträge mit vielen Positionen. RFID-Tags an Produkten oder Behältern kommunizieren automatisch mit dem System und melden Entnahmen ohne manuellen Scanvorgang. Diese Automatisierung reduziert Bearbeitungszeiten erheblich und minimiert menschliche Fehlerquellen.

Investitionen in RFID-Infrastruktur erfordern sorgfältige Planung, da sowohl Artikel als auch Lagereinrichtung entsprechend ausgerüstet werden müssen. Der Return on Investment zeigt sich meist erst bei größeren Lagern mit hohem Artikeldurchsatz. Dennoch bietet die Technologie einzigartige Möglichkeiten für Prozessoptimierung und Qualitätssicherung, die andere Verfahren nicht erreichen.

Kommissionierarten: Ware-zum-Mann vs. Mann-zur-Ware

Kommissionierart Prinzip Typische Anwendung Investitionsbedarf
Mann-zur-Ware Mitarbeiter bewegt sich zum Lagerplatz Kleinere Lager, variable Sortimente Gering
Ware-zum-Mann Automatische Bereitstellung am Arbeitsplatz Großlager, Hochfrequenzartikel Hoch

Mann-zur-Ware-Kommissionierung folgt dem traditionellen Ansatz: Mitarbeiter bewegen sich zu den Lagerplätzen und entnehmen die benötigten Artikel manuell. Diese statische Methode erfordert geringe Technikinvestitionen und bleibt in vielen Betrieben Standard, besonders bei unregelmäßigen Auftragsstrukturen oder häufig wechselnden Sortimenten.

Ware-zum-Mann-Kommissionierung dreht dieses Prinzip um und nutzt Fördertechnik, um Artikel direkt zum Kommissionierarbeitsplatz zu transportieren. Automatisierte Regalsysteme, Förderbänder oder fahrerlose Transportsysteme bringen die gewünschten Produkte zum wartenden Mitarbeiter. Diese dynamische Bereitstellung eliminiert Laufwege und steigert die Kommissionierleistung erheblich.

Hybride Ansätze kombinieren beide Methoden geschickt miteinander. Schnelldreher werden automatisch bereitgestellt, während Langsamdreher weiterhin manuell abgeholt werden. Diese Kombination optimiert Investitionskosten und Arbeitseffizienz gleichermaßen, sodass Betriebe ihre Kommissionierung schrittweise modernisieren können.

Auswahlkriterien für das richtige Kommissionierverfahren

Verschiedene Faktoren beeinflussen die Wahl des optimalen Kommissionierverfahrens für Ihren Betrieb. Auftragsvolumen und -struktur stehen dabei an erster Stelle: Wenige, große Aufträge erfordern andere Lösungen als viele kleine Bestellungen mit unterschiedlichen Artikeln. Auch die Lagerarchitektur spielt eine wesentliche Rolle bei der Verfahrensauswahl.

Wichtige Entscheidungskriterien:

  • Tägliches Auftragsvolumen und durchschnittliche Auftragsgröße
  • Anzahl verschiedener Artikel im Sortiment
  • Verfügbare Investitionsmittel und geplante Amortisationszeit
  • Qualifikation und Technologieakzeptanz der Mitarbeiter
  • Bestehende IT-Infrastruktur und Integrationsmöglichkeiten

Mitarbeiterqualifikation und Technologieakzeptanz dürfen nicht unterschätzt werden. Manche Teams adaptieren neue Technologien schneller als andere. Change-Management und Schulungsprogramme entscheiden oft über Erfolg oder Scheitern neuer Kommissionierverfahren. Pilotprojekte in Teilbereichen helfen dabei, das optimale Verfahren zu identifizieren und Widerstände frühzeitig zu erkennen. Langfristige Skalierbarkeit sollte von Anfang an mitgedacht werden.

Fazit: Die Zukunft der Kommissionierung

Kommissionierverfahren entwickeln sich kontinuierlich weiter und passen sich veränderten Marktanforderungen an. Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen optimieren bereits heute Laufwege und Kommissionierreihenfolgen automatisch. Diese intelligenten Systeme analysieren historische Daten und prognostizieren optimale Arbeitsabläufe.

Die Integration verschiedener Technologien wird künftig noch wichtiger. Unternehmen kombinieren zunehmend mehrere beleglose Kommissionierverfahren, um unterschiedliche Lagerbereiche optimal zu bedienen. Voice-Technologie für Routineaufgaben, Vision-Systeme für komplexe Kommissionierung und RFID für Spezialanwendungen ergänzen sich perfekt.

Nachhaltigkeit gewinnt ebenfalls an Bedeutung. Energieeffiziente Systeme und papierlose Prozesse unterstützen Umweltziele, während gleichzeitig Betriebskosten sinken. Unternehmen, die rechtzeitig in moderne Kommissionierverfahren investieren, sichern sich Wettbewerbsvorteile und bereiten sich optimal auf zukünftige Herausforderungen vor. Die Digitalisierung der Lagerlogistik ist nicht mehr optional, sondern entscheidend für langfristigen Geschäftserfolg.